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FAHRENHEIT 451 - Kleine Würdigung eines ungewöhnlichen Zukunft-Films

 
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 FAHRENHEIT 451 - Kleine Würdigung eines ungewöhnlichen Zukunft-Films

FAHRENHEIT 451
(Grossbritannien / Frankreich 1966)


Oskar Werner - MONTAG
Julie Christie - CLARISSE/LINDA
Cyrill Cusack - FEUERWEHRHAUPTMANN
Anton Diffring - FABIAN

Regie: FRANCOIS TRUFFAUT

Laufzeit ca. 108 min


Ein autoritär geführter Staat in einer nicht näher genannten Zukunft
Wer das Land regiert erfährt man nicht, aber deren Vollzugsbeamte sind ständig präsent. Montag ist ein Feuerwehrmann und tut seinen Dienst gern. Die Feuerwehr ist hier aber nicht zum löschen von Bränden da, sondern legt selber Feuer. Ihre Aufgabe ist es nämlich Bücher ausfindig zu machen und zu verbrennen, denn es ist verboten Bücher zu besitzen und zu lesen. Denunziantentum wird hier groß
geschrieben, denn es gehen telefonisch immer wieder Anzeigen ein und die Feuerwehr wird tätig, um mit den Büchern kurzen Prozeß zu machen. Eines Tages lernt Montag auf dem Weg nach Hause Clarisse kennen. Sie unterhalten sich und dabei werden langsam Zweifel und Fragen in Montag geweckt. Er fragt sich, warum darf/soll man Bücher nicht lesen dürfen? Was steht denn da überhaupt drin? Ist es richtig
Bücher zu verbrennen? Es gibt zwar "Lektüre", aber es handelt sich um Comics. Und selbst die müßen ohne Text auskommen. Es sind einfach nur Comiczeichnungen. Montag ist mit Linda verheiratet, aber mit ihr kann er über all das nicht sprechen. Sie interessiert sich eh nur für irgendwelche Frauensachen und das Konsum-Programm, was über dem breiten Bildschirm flimmert. Bei einer der nächsten Einsätze behält Montag heimlich ein Buch für sich und beginnt es zuhause heimlich zu lesen. Es ist das Buch DAVID COPPERFIELD von Charles Dickens.

Der Feuerwehrhauptmann und Montag, rechts


Montag lernt Clarisse kennen

Für den französischen Regisseur Francois Truffaut war dies sein erster englischsprachiger Film, der aber auch gleichzeitig in französisch gedreht wurde. Ferner ist dies sein erster Farbfilm, den er inszenierte und zudem sein einziger Beitrag im phantastischen Genre, wenn man mal von seiner kleinen späteren Nebenrolle im Film -Unheimliche Begegnung der dritten Art- absieht. Truffaut mußte allerdings 2 Jahre warten, bis er seinen Film realisieren konnte, weil er in Frankreich kaum Geldgeber für sein Projekt fand. Fahrenheit 451 entstand nach einem Roman von RAY BRADBURY. F. Truffaut verarbeitete aber nur die Grundidee des Buches. Er übernimmt die Idee der bücherlosen Gesellschaft, die Figur des Feuerwehrmanns Montag und ein wenig die futuristische Technik. Auch bleibt Truffaut sehr konsequent. Da es verboten ist zu lesen, soll auch der Zuschauer nichts lesen dürfen. Es gibt hier nämlich keine Stabangaben in schriftlicher Form zulesen. Diese werden einem stattdessen gleich am Anfang durch eine Frauenstimme aus dem Off mitgeteilt, so als ob diese durch die Antennen gesendet werden, die man dazu mit verschiedenen Hintergrundfarben zusehen bekommt. Somit dürfte das wohl einer der einzigartigsten, ungewöhnlichsten, aber auch genialsten Filmvorspänne sein. Diesen Einfall finde ich sehr gut und unterstreicht nur Truffauts Anliegen, das man nichts lesen darf/soll. Damit bindet er den Zuschauer bei Beginn des Films sofort mit ein. Erst als Montag das David Copperfield-Buch aufschlägt und anfängt zu lesen, erst dann darf auch der Zuschauer lesen.

[b][i]

So etliche Dialoge sind genial und je nach Zuschauer/Zuhörer mag man darüber verwundert sein oder den Kopf schütteln. Als Clarisse bei ihrer ersten Begegnung mit Montag ihn fragt, ob es stimmt das in früheren Zeiten die Feuerwehr Brände gelöscht hat, so verneint Montag dies. Für ihn ist es ein völlig absurder Gedanke, das die Feuerwehr mal zur Brandbekämpfung da war. Seine Ansicht wird dahingehend
unterstützt, weil sämtliche Häuser in diesem Zukunftsstaat absolut feuerfest sind. Für Montag und die meisten anderen existiert somit nicht der geringste Grund zum feuerlöschen tätig zu sein. Im Gegenteil, denn Feuer ist gut für Bücher und somit für die Gesellschaft. Diesbezüglich gibt es eine sehr ausdrucksstarke Sequenz, die das u.a. mit genialen Dialogen deutlich macht. Der Feuerwehrhauptmann macht mit seinen Bediensteten eine Bibliothek ausfindig. Er ruft Montag zusich, damit auch er sich diese große Büchersammlung ansieht. Der Hauptmann nimmt so einige Bücher in die Hand und teilt Montag so seine Ansichten über das jeweilige Exemplar mit, wie z.B. beim Buch über Lungenkrebs, sinngemäßes Zitat:

"Das versetzte jeden Raucher in Panik. Und um ihres Seelenfriedens willen, verbrennen wir es!"

Kurz darauf hat er das Buch -Die Ethik des Aristoteles- in der Hand und meint, Zitat:

"Jeder der das gelesen hat muß sich für etwas besonderes halten, als die, die es nicht gelesen haben. Siehst Du,... und das ist schlecht, Montag,... Wir müßen alle gleich sein und deswegen müßen die Bücher brennen!"

Dann hält er ein weiteres Buch hoch, Titel: Adolf Hitlers MEIN KAMPF und meint mit besonderer Betonung im Anschluß dazu: "Aaalle Bücher!" :biggrin:

Allein in dieser ganzen Szenerie (die man natürlich selbst sehen muß) steckt soviel drin. Von fast absurd, über genial und Ironie bis hin zur konsequenten Vernichtung. Und konsequent wird hier in diesem Zukunftsstaat tatsächlich versucht, alle Bücher ausfindig zu machen und zu verbrennen. Ja,...Truffaut macht diesbezüglich keine Gefangenen.



am 13.01.2016 um 15:54:23 Uhr
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Antwort von GrafKarnstein
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Die alte Dame verbrennt lieber zusammen mit ihren Büchern,
als ohne sie weiterleben zu müßen

Dies ist auch einer der Schlüsselszenen des Films. Als Bücherfreund tut einem beim zusehen irgendwie das Herz weh. Der Filmtitel bezieht sich übrigens auf die Temperatur, bei der Papier zu brennen anfängt. Diesbezüglich ist auch die Feuerwehr mit Flammenwerfern ausgerüstet, die den Hitzegrad Fahrenheit 451 erzeugen. Es ist ein Staat in dem Persönlichkeit und Individualität dem Menschen völlig abhanden gekommen ist. Dieser Zukunftsstaat hat auf seine Weise die totale Entpersönlichung durchgesetzt. Auch von zwischenmenschlichen Beziehungen, wie Liebe kann keine Rede mehr sein, denn Gefühle sind in dieser Welt offenbar ausgestorben. So scheint auch die Ehe zwischen Montag und seiner Frau Linda nur auf der Basis des Trauscheins und einem eher monotonen Zusammenlebens zu bestehen. Überhaupt
reagieren die Menschen hier fast mechanisch. Was zählt ist Technik und Konsum, der durch die Medien verbreitet wird. In Sachen Technik setzt Truffaut auf ein minimum. Ihm reichen breite große Bildschirme, die Schwebebahn und die ungewöhlich aussehenden Feuerwehrautos vollkommen aus. Mehr brauchte der geniale Regisseur nicht, um einen futuristischen Staat der Zukunft zu präsentieren. Interessant finde ich mal wieder die Technik des Fernsehens. Hier sieht man im Film große rechteckige Flachbildschirme, die an der Wand befestigt sind. Und was haben wir heutzutage?,... 16:9 Flachbildschirme. Was damals im Jahre 1966 noch futuristisch anmutete, ist heute im neuen Jahrtausend fast schon zum standart in vielen Haushalten geworden.


Und futuristisch wirkt der Film auch heute noch. Das liegt zum einen daran, wie das ganze inszeniert ist und in der Art, wie alles gefilmt wurde. Kein geringerer als Nicholas Roeg zeichnete sich für die Kameraführung verantwortlich. Er sollte später selbst so einige Filme drehen. Der "Schwarze Romantiker" der Filmmusik, BERNARD HERRMANN schuf hier eine Musik, die die Bilder des Films sehr schön untermalen.

Montag und Linda streiten wegen der Bücher,
die Montag behalten und lesen will.

Obwohl man, je nach dem als Zuschauer sich mit diversen Charakteren/Figuren innerhalb eines Films identifizieren möchte, so dürfte es so manchem hier besonders schwerfallen, wenn überhaupt. Das liegt daran, weil die Hauptfiguren hier viel zusehr mit sich selbst beschäftigt sind, als das sie gemeinsam etwas machen. So beschränkt sich die Kommunikation zwischen Montag und Linda nur auf das notwendigste. Linda ist eh nur damit beschäftigt, auf den Bildschirm zuschauen und scheint nur zuhause zu sein. Während Montag raus muß, seinen Dienst tut und sich auf die mögliche Beförderung freut. Zuneigungen, wie wir sie kennen, gibt es hier nicht. Und selbst später, als Montag anfängt Bücher zulesen, gilt seine Zuneigung nur noch ihnen. Auch bei Clarisse, die zwar da ganze Gegenteil von Linda ist, aber auch
ihre Zuneigung gilt den Büchern. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der, das es hier im Grunde keine physische Gewalt von Seiten der Staatsorgane in dem Sinne gibt. Das gilt auch für die, die verbotenerweise Bücher besitzen. Eine Revolte/Revolution, wie manch einer sie sich vielleicht wünschen würde, existiert hier nicht. Truffaut verzichtete ganz bewußt darauf, weil er es anders machen wollte. Das hat er definitiv und wer den Film kennt, weiß was ich meine. Andere sollten sich einfach mal überraschen lassen, denn der Film dürfte auch einer der ungewöhnlichsten Enden der Filmgeschichte haben.


"Unendlich traurig sind Filme ohne Frauen", schrieb Truffaut in sein Tagebuch, während der Dreharbeiten zu Fahrenheit 451. Frauen nahmen in seinen Filmen häufig Zentralrollen ein. So ist Julie Christie, die damals gerade durch den Film -Doktor Schiwago- weltbekannt wurde, hier in einer Doppelrolle zu sehen. Als Clarisse & Linda stellt sie zwei Frauen dar, wie sie nicht unterschiedlicher sein können. Oskar Werner, ist ebenfalls mal wieder vorzüglich und zum Glück ist es auch in der deutschen Synchro seine unverwechselbare Stimme. Es war auch nicht das erste mal, das Oskar Werner in einem Truffaut-Film mitwirkte. Im Film -Jules und Jim- hatte er ebenfalls eine der Hauptrollen. Genial ist auch Cyrill Cusack, als Feuerwehrhauptmann, der unerbittlich alle Bücher vernichten will. Anton Diffring ist in einer Nebenrolle als Feuerwehrmann Fabian zu sehen.

Montag im Gespräch mit dem Hauptmann

Francois Truffaut ist und bleibt einer meiner französischen Lieblingsregisseure, auch wenn mir nun nicht alles zu 100% von ihm gefiel. Aber Truffaut war definitiv ein absoluter Filmfreund, der das Kino sehr liebte und er war ein sehr leidenschaftlicher Filmemacher. Und das merkt man im Grunde jedem seiner Filme an. Ich mag und liebe die meisten seiner Filme, so auch diesen hier. Auch wenn F. Truffaut nicht alles aus der literarischen Vorlage übernahm, so ist ihm dennoch ein pessimistischer, düsterer und erdrückender Zukunfts-Film gelungen, der innerhalb des Genres auch irgendwie ungewöhnlich und einzigartig bleibt. Für mich nach wievor ein Klasse-Film! Und wer ihn noch nie sah,...meine Empfehlung hat er zu 100%
:smile:
10/10 futuristischen Zukunftsstaaten :topsmilie: :biglaugh:
GrafKarnstein

am 13.01.2016 um 16:05:02 UhrZitieren  Melden
Antwort von scared-stiff
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10/10 ? :uhh:




Hallo Graf, das war Spaß, bei diesem Film gibt es auch für mich keine andere Wertung als


10/10 :hammersmile:


Ausnahmefilm, Genreprimus, Glücksfall für den Filmfreund.


Toller Bericht mal wieder und ganz großartige Plakatmotive,
die mir stellenweise gar nicht bekannt waren.

Besten Dank!


:topsmilie:

am 13.01.2016 um 21:26:22 UhrZitieren  Melden
Antwort von GrafKarnstein
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Nabend scared-stiff,

Ich muß mir noch die Bluray von KochMedia zum Film besorgen, dessen Cover übrigens das japanische Plakat ziert. Habe immer noch meine alte DVD von Universal.

:winkeHand:

am 14.01.2016 um 18:59:14 UhrZitieren  Melden
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am 14.01.2016 um 20:06:53 UhrZitieren  Melden
Antwort von GrafKarnstein
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geschrieben von filmhund am 14.01.2016 um 20:06:53.
Nanunanu, mein und auch scared-stiffs Beitrag wurden gelöscht. Wenn dieser kleine, spöttische Beitrag aufgrund der Erwähnung der Buchstabenkombination eines "W" und "T", (und mehr wars auch nicht) unter "löschwürdig" fällt, "bedanke" ich mich für die Obacht der 'Erziehungsberechtigten'. :chinaman:


Was? :uhh: :headscratch:
Also hier im Filmthread stand meines Wissens nach davon eh nix.
Du und scared-stiff habt es aber in meinem anderen Thread
-Verdammte Zeichen-Begrenzung- erwähnt, was dort aber weiterhin drinsteht.

Aber wenn Du schon mal hier bist: :biggrin:

Was sagst Du denn eigentlich zu diesem Film hier?
Müßte doch auch was für Dich sein :smile:

am 14.01.2016 um 20:29:24 UhrZitieren  Melden
Antwort von filmhund
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geschrieben von GrafKarnstein am 14.01.2016 um 20:29:24.

Was? :uhh: :headscratch:
Also hier im Filmthread stand meines Wissens nach davon eh nix.
Du und scared-stiff habt es aber in meinem anderen Thread
-Verdammte Zeichen-Begrenzung- erwähnt, was dort aber weiterhin drinsteht.

Aber wenn Du schon mal hier bist: :biggrin:

Was sagst Du denn eigentlich zu diesem Film hier?
Müßte doch auch was für Dich sein :smile:


Oh Mann, ich Hirnie! :nono:

Der Film ist absolut großartig. . . . und auch irgendwie 'typisch französisch'! Ich werde mir den demnächst mal wieder ansehen. Erstaunlich finde ich bei Filmen "dieser Art", dass mit relativ wenigen Mitteln ein absolut glaubwürdiges Zukunftsszenario geschaffen wurde. :topsmilie:

am 14.01.2016 um 20:50:51 UhrZitieren  Melden
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